Ich liege auf dem Sofa und plötzlich macht es *Klick*. Wie ein Schalter, der umgelegt wurde. Meine Wahrnehmung kehrt sich nach innen und alle Geräusche, die Musik, sogar das Sofa unter mir fühlen sich zunehmend fern an, verschwimmen. Erst scheint alles gut. Doch dann steigt ein drückendes Gefühl in mir hoch, eine größer werdende Angst. Ich muss das Experiment abbrechen.
Das Experiment
Vor einem Jahr hatte ich keine Angst. Damals habe ich mich von der Dortmunder Hypnotiseurin und Therapeutin Doris Stratmann für eine Reportage hypnotisieren lassen. Sie gab mir anschließend eine CD mit der Musik, die sie während meiner Hypnose abgespielt hat. Ihre Warnung: Ich sollte die Musik nicht in der Badewanne oder im Auto hören, da ich ungewollt einschlafen könnte – mein Unterbewusstes sei nun schließlich mit genau dieser Musik verknüpft. Ob da wirklich etwas dran ist, wollte ich jetzt, zwölf Monate später, ausprobieren – und startete meinen Selbstversuch.
Es ist 15 Uhr. Ich bin ausgeschlafen und war vor kurzem an der frischen Luft. Wenn ich einschlafe, muss es demnach an der Musik liegen und nicht daran, dass ich, vom Tag geschafft, einfach so weg nicke. Also drücke ich auf Play, mache es mir bequem und schaue was passiert.
Selbe Musik, selber Zustand
Wie ein Pharao liege ich ausgestreckt auf den Polstern. Die Decken, die ich um mich gewickelt habe, geben die Wärme meines eigenen Körpers allmählich wieder an mich ab, während die Musik an meine Ohren dringt. Sachtes Zupfen einer Harfe, begleitet vom Krächzen einer Möwenschar erfüllt das Wohnzimmer. Nach rund 15 Minuten Entspannung scheint sich in mir eine Art Schalter umzulegen. Ich nehme die Musik weniger bewusst wahr, mein Kopf scheint sich in einen Luftballon verwandelt zu haben, der nach oben schweben möchte. Meine Atmung ist so flach, als hätte ich sie vergessen. Mein Herz dagegen schlägt stark, und das Blut pocht bis hoch in die Schädelwand. Von diesem seltsamen und zugleich wohligen Gefühl umgeben ahne ich noch nicht, dass ich am Ende abbrechen muss. Also lasse ich meine Entspannung zu. Die Hypnose beginnt.
Hypnose lässt sich wissenschaftlich messen
„Hypnose“ ist weder eine esoterische Spinnerei, noch ein Weg andere Menschen zu steuern. Hypnose passiert ganz kontrolliert und lässt sich sogar wissenschaftlich belegen:
Das Gehirn gerät in Schwingung, wenn es aktiv ist. Diese Schwingungen lassen sich im Labor messen. Im Wachzustand liegt die Schwingung der Hirnaktivität des Menschen bei 12 bis 14 Hertz. Während des Schlafes sinken diese Schwingungen auf 6 bis 8 Hertz ab. In den Schwingungen dazwischen, bei 8 bis 12 Hertz, findet die Hypnose statt und wird „Alphazustand“ genannt. Er wird durch Hypnose, Meditation oder auch kurz nach dem Aufwachen erreicht und ist somit alltäglich – vergleichbar mit dem Zustand am frühen Morgen: Man hört vielleicht die Vögel draußen und den*die Mitbewohner*in, die Frühstück vorbereitet, macht sich aber keine Gedanken dazu, sondern nimmt „schlaftrunken“ einfach nur die Geräusche wahr. In der Hypnose ist dagegen aber noch mehr möglich.
Unter Hypnose können verschiedene Emotionen und Wahrnehmungen mit realen Sachverhalten neu verknüpft werden. Zum Beispiel kann bei der Hypnose eine positive Assoziation mit dem Rauchen von Zigaretten durch eine negative ersetzt werden. So kann Hypnose dabei helfen mit dem Rauchen aufzuhören. Anders als es in Filmen oder bei Zauber*innen auf der Bühne dargestellt wird, kann man in einer Hypnose zu nichts gezwungen werden. Doris Stratmann sagte mir damals, dass die hypnotisierte Person alles selber in der Hand habe – sie gebe den Klient*innen lediglich einen Werkzeugkasten an die Hand. Was diese dann damit bauten, sei ihnen überlassen. Demnach ist die Wirkung der Hypnose abhängig von der Einstellung der Patient*innen gegenüber dieser Therapieform.
Hypnose hat ihre Grenzen
Ich habe mich nun auf die Hypnose eingelassen und genieße den Zustand, in dem ich mich befinde. Gedanklich habe ich die Veränderung nach dem *Klick* wie eine erste Überebene wahrgenommen. Ich merke, wie ich drauf und dran bin in die nächste Ebene zu wandern. Vor meinen Augen ist es nicht mehr dunkel, sondern weiß, und ich nehme eine zunehmende Distanz zwischen meinem Bewusstsein und meinem Körper wahr. Alltägliche Dinge, die mir sonst im Kopf begegnen, habe ich ganz ausgeblendet. Aus Neugierde lasse ich mich noch stärker auf das wohlige Gefühl ein.
Die Musik ist immer noch in weiter Ferne. Sie ist wie ein Geräuschteppich, der mich im Hintergrund begleitet. Doch dann spüre ich, wie mein Herzschlag schneller wird und Angst in mir aufsteigt. Ich fühle mich nicht mehr wohl und fürchte, allein nicht mehr zurück kommen zu können – als wäre ich dabei, die Kontrolle zu verlieren.
Ich konzentriere mich darauf wieder aufzuwachen, indem ich mir vorstelle wie es ist wach zu sein. Mein Gedankengang ist vergleichbar mit der Bemühung die man aufbringt, wenn es total spät ist, man schon mehrmals gegähnt hat und versucht sich wach zu halten. Das Aufwachen gelingt mir und somit breche ich die Selbsthypnose ab. Die Hypnose-CD läuft weiter und ich nehme sie wieder als abgespielte Musik wahr. Zwar mit einem schlaftrunkenen Gefühl, aber bei vollem Bewusstsein, stehe ich vom Sofa auf.
Bei Musik und Hypnose passiert was im Gehirn
Die genaue Wirkung von Musik auf das Gehirn während einer Hypnose ist noch nicht genau erforscht. Dennoch arbeiten Wissenschaftler*innen wie Prof. Dr. med. Joscha Reinhard daran, die Zusammenhänge zu klären. Gezielt hat er die Möglichkeiten zur Linderung von Nebenwirkungen während einer Chemotherapie untersucht. Laut des Verbandes freier Psychotherapeuten (VFP), zeigten Studien der Harvard University, dass während der Hypnose sämtliche Hirnareale stimuliert werden. Dadurch wurden sowohl höhere Gehirnleistungen als auch eine höhere Schmerztoleranz festgestellt. Beim Hören von Musik werden ebenfalls viele Areale im Gehirn angesprochen. Es kann also durchaus sein, dass ein Zusammenhang von Musik und Hypnose das Gehirn fördert und trainiert.
Experiment gelungen
Mein Experiment hat mir gezeigt, dass eine Verbindung zwischen meinem Unterbewusstsein und der Musik der Hypnotiseurin bestehen muss. Wenn ich zu anderen Stücken entspannt auf der Couch liege, falle ich nicht auf einmal in Trance. Hypnose sollte immer mit Vorsicht angegangen werden und am besten nur unter der Anleitung von Expert*innen. Mein Selbstexperiment war am Ende eine unbehagliche Erfahrung.
Was sich allerdings gut ohne professionelle Begleitung ausüben lässt, ist Meditation. Diese ist ein guter Einstieg, um ein Gefühl für das eigene Unterbewusstsein zu bekommen. Dazu gibt es online viele Möglichkeiten, an geführten Meditationen teilzunehmen – bei Youtube, Netflix oder auf anderen Plattformen.