Mixtape No. 17: Driving at night

Um euch herum ist alles schwarz. Seit Stunden seid ihr auf der Straße unterwegs. Hin und wieder flackern auf der anderen Seite grelle Lichter auf. Zu schnell, um zu erkennen, was genau die Lichtquelle ist. Zu selten, um euch wach zu halten. Eure Augen sind müde und schwer. Es wäre einfacher, sie zu schließen, aber das Risiko, die Kontrolle über den Wagen zu verlieren, ist zu groß. Dumpf röhrt im Hintergrund der Motor vor sich hin. Das Lenkrad vibriert kaum spürbar und doch gleichmäßig unter euren Händen. Hin und wieder werdet ihr durch Unebenheiten im Asphalt sanft in den Sitz gedrückt. Fast so, als würde euch jemand mit regelmäßigen Bewegungen in den Schlaf wiegen. Trotzdem widersteht ihr dem Drang einzuschlafen, schließlich hängt ja euer Leben daran. Stattdessen dreht ihr das Autoradio einfach lauter.

Egal, ob lange Nachtfahrten über die Autobahn in den Urlaub, auf dem Nachhauseweg von einer Party durch die Stadt oder wenn es abends mit dem*der Freund*in später geworden ist. Jede*r von uns kennt solche langweiligen Autofahrten im Dunkeln, bei denen wir versuchen, unsere bleierne Müdigkeit und die Monotonie der Fahrt mit Musik zu bekämpfen. Dabei lernen wir eigentlich alle in der Fahrschule, dass dieses Verhalten nicht die richtige Reaktion ist. Denn, ob wir es wollen oder nicht, Musik kann unseren Fahrstil positiv wie negativ beeinflussen. Ein ruhiges Musikstück mit langsamem Tempo hat beispielsweise eine beruhigende Wirkung auf uns, wenn wir uns morgens mit dem Auto durch die Rushhour quälen müssen. Bei lauter, aggressiver Musik lassen wir uns dagegen häufig von den Klängen zum Ändern des Fahrstils verleiten und geraten dadurch womöglich in eine gefährliche Situation.

Konzentration braucht Musik

Die Wissenschaft setzt jedoch trotzdem immer mehr auf Musik, um unsere Konzentration zu steigern. Der israelische Musikpsychologe Warren Brodsky, der die Rolle von Musik bei Autofahrten erforscht, spricht sich mit Blick auf eine zukünftige Zulassung von selbstfahrenden Fahrzeugen für einen bewusst stärkeren Einsatz von Musik aus. In einer Studie befragte er Anfang des Jahres 140 18-29-Jährige und fand dabei heraus, dass Musik für viele untrennbar zum Auto dazugehört. Über 90 % der befragten Personen gaben sogar an, sich ohne Musik im Auto überhaupt nicht konzentrieren zu können. Komme künftig ein selbstfahrendes Fahrzeug in eine schwierige Verkehrssituation, in der der*die Fahrer*in die Kontrolle übernehmen müsse, könne Musik ihm*ihr helfen, sich zu fokussieren, so Brodsky.

Gerade bei Nachtfahrten kann Musik aber tatsächlich schon heute einen positiven Einfluss auf uns haben, denn sie berührt uns Menschen emotional und löst dabei eine Menge an körperlichen Reaktionen aus. Akustische Reize können zum Beispiel unseren Herzschlag erhöhen, die Verbesserung der Durchblutung unseres Gehirns bewirken oder die Kontraktion von Muskeln beeinflussen. Alles Reaktionen, die für die Konzentration beim Fahren notwendig sind.

Musik aktiviert unser Gehirn

Wie der Musikwissenschaftler Prof. Günther Rötter von der Technischen Universität Dortmund in einer gemeinsamen Studie mit der Daimler AG bereits 2008 zeigen konnte, lässt sich die richtige Musik vor allem für die Profis unter den Nachtfahrer*innen nutzen: die Berufsgruppe der LKW-Fahrer*innen. Entscheidend sei dabei, dass die Wirkung der Musik auf ihre*n Hörer*in mit zwei Faktoren zusammenhänge. Einerseits mit dem Tempo, gemessen in bpm (beats per minutes), und andererseits mit dem persönlichen Geschmack. Da das Tempo eines Stücks die Frequenzhöhe der Schallwellen bestimmt, die im Gehör in elektrische Impulse an das Gehirn umgewandelt werden, bedeutet ein schneller Rhythmus auch eine stark aktivierende Wirkung fürs Gehirn. Wenn das, was wir hören jedoch nicht unserer bevorzugten Musikrichtung entspricht, kann daraus aber genauso eine gegenteilige Wirkung resultieren.
Für die LKW-Fahrer*innen beobachtete das Team um Rötter, dass bei Nachtfahrten nahezu alle befragten Fahrer*innen Musik als aktivierendes Element einsetzten. Dabei ließen sich vor allem fünf Kategorien als beliebteste Musikrichtungen ausmachen: Schlager, englischer Pop, Rock, Country und Charts.

Lernen von den Profis

Ein Sprichwort besagt: „Von den Profis lernen heißt siegen lernen.“ Wir als terzwerk-Redaktion haben für euch unsere ganz persönliche Playlist zum Autofahren bei Nacht zusammengestellt, die nicht weniger abwechslungsreich ist, als die Lieblingsmusikrichtungen der in der Studie befragten LKW-Fahrer*innen. Solltet ihr euch also gerade auf einer langen, monotonen Autofahrt befinden und euch die Müdigkeit überkommen, findet ihr darin ein paar Musiktitel mit absoluter Wachmacher-Garantie! Gute Fahrt!

Rage against the machine – “Killing in the name of”: Ein extrem wütender, politischer Song, der sich Anfang der 1990er Jahre gegen Rassismus und die Verbindung von Ku-Klux-Klan-Mitgliedern zur Polizei in den USA stellt. Das Problem ist heute nicht weniger aktuell, auch nicht die Wut auf ein rassistisches System, in dem “the chosen whites” im Namen ebendieses Systems und seiner Narrative morden (dürfen). Wut hält wach – auch nachts auf der Autobahn.

Texas – “Inner Smile”: Je später es wird und je leerer die Autobahn, umso lauter ist die Musik. Das ist bei mir zumindest so. Wenn die Musik nicht nur laut ist, sondern mich auch zum Mitklopfen des Rhythmus auf dem Lenkrad und zum Mitsingen animiert, dann kann ich beim Fahren gar nicht mehr einschlafen. „Inner Smile“ von Texas ist für mich so ein Song, bei dem ich meine Finger nicht mehr stillhalten kann und der noch dazu gute Laune macht. Ein Ohrwurm, der die letzte Energie aus meinem müden Körper kitzelt.

Moon Hooch – “Something Else”: Musik, die ich nachts beim Auto fahren hören kann, hat ihren ganz eigenen Flair. Wenn ich mir meine Playlists hierzu ansehe, fällt auf: Alle Songs haben einen relativ durchgängigen Beat, die Töne bleiben meist eher dumpf bis dunkel. Melodiewiederholungen sind hier Key. Höhepunkte entwickeln sich durch kleine Abänderungen und werden lange vorbereitet. Trotzdem sind hier und da Unregelmäßigkeiten eingestreut, zu monoton darf es schließlich auch nicht sein. Irgendwo zwischen entspannen und konzentrieren; voll drin aufgehen und distanziert bleiben, something else eben.

Mika – “Grace Kelly”: Es geht nichts über Popmusik, um die Batterien wieder aufzuladen! “Grace Kelly” hat auf mich die gleiche Wirkung wie der stärkste Energydrink. Kaum höre ich die ersten Noten, singe ich mich wie ein euphorischer Fan-Teenager heiser. Effizienz garantiert!

Eberhard Schoener – “Why Don’t You Answer”: Ein Beat, der ballert! Gerade so viel, dass mein Verstand auf der Straße bleibt und mein Körper genug Hormone pumpt, die mich wachhalten. Ein Text, der mir nicht mal aus tiefster Seele gesungen die Konzentration raubt. Der 70er Jahre Song ist mein Inbegriff von „Nachts-über-die-leere-Autobahn-brettern“.

Gordon Goodwin’s Big Phat Band – Hit The Ground Running: Gordon Goodwin’s Big Phat Band ist eine echte Wachbleib-Garantie, denn sie klingt genauso wie sie heißt: einfach „phat“! Damit eignet sie sich bestens für nächtliche Autofahrten. Aber nicht vor lauter im Takt wackeln das Steuer loslassen, gell?

Diese Playlist ist öffentlich! Jede*r kann Songs hinzufügen, der*die den Link hat.

Bildcredits:

Beitragsbild: Foto von Lukas Rychvalsky von Pexels

LKW auf der Autobahn: Foto von Schwoaze von Pixabay

Hintergrundbild: Foto von Philipp Katzenberger von Unsplash

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